BOMBENFUND oder: Die Macht des Schicksals

oder: Alles was dazwischenkommt

Nach einem Krach mit seiner als Psychoanalytikerin arbeitenden Mutter Natascha-Lou Salomé ist mein linksradikaler Sohn Johnny an seinem 16. Geburtstag mal wieder bei mir eingezogen. Und wie fast jeden Abend seither – immer wenn Johnny gerade von einer Demo oder einem Plenum oder vom Plakatieren nach Hause kommt – sitzen wir beide zusammen am Küchentisch und diskutieren vegan und verbissen über die Ideologie der Antideutschen, die Weltrevolution, die 11. Feuerbachthese und darüber, ob es wirklich eine gute Idee ist, am Tag X die von Nazis durchsetzte sächsische Polizei einfach aufzulösen und durch eine revolutionäre Arbeiter*innen-Miliz zu ersetzen. Und wo er, Johnny, denn bitteschön dafür die passenden Arbeiter*innen hernehmen würde, frage ich, und was die für eine Ausbildung bekommen würden in Sachen Rechtsstaatlichkeit bevor man sie auf Streifendienst durch die Stadt schicken würde, dass da nicht irgendeine Art Milizen-GULAG rauskäme am Ende, wie meistens in solchen Fällen – autoritärer Zwangscharakter und so – „Gib den Menschen eine Pistole in die Hand, und schon…! – Ich hab‘ das alles erlebt im Osten“, sage ich.

Und genau in diesem Moment klingelt es an der Wohnungstür. Zwei echte sächsische Polizisten mit Nazihaarschnitt stehen davor. Klar, denke ich, Theorie und Praxis gehören immer zusammen, auch in diesem Text hier, jetzt holen sie wieder mal Johnny ab. „Bitte zeigen Sie mir erstmal den Haftbefehl oder den Durchsuchungsbeschluss!“, skandiere ich wie im Reflex, noch bevor die Bullen irgendwas sagen können und blicke mich dabei fragend nach Johnny um. Aber der zuckt nur mit den Schultern und blickt genauso fragend zurück. „Oder ist das hier eine Rasterfahndung wie im Deutschen Herbst ‘77? Oder wurde das Grundgesetz im Freistaat Sachsen gerade außer Kraft gesetzt?“ spule ich inzwischen weiter mein übliches Anti-Polizeistaat-Lamento runter, um die Beamten irgendwie einzuschüchtern und hinzuhalten. Und das scheint mir auch zu gelingen, denn die starren mich wirklich mit wachsender Entgeisterung an, bevor der eine sich schließlich dann doch räuspert: „Golläsche, nu beruhigen Se sisch ma‘! Mer ham‘n hier ‘n Bombenfund am Leuschnerplatz und isch muss Se bidden, Ihre Wohnung unverzüschlisch zu verlassen bevor‘s vielleicht gleech rummst. Nehm‘ Se Ihre Wertsachen mit und vielleicht ooch noch Ihr Lieblingsguscheltier – kann ne lange Nacht wer‘n.“ Die Polizisten grinsen und steigen schon die Treppe hoch zu den Mietern ins Obergeschoß, wobei mir der eine noch zuruft: „O‘r bidde nur een Guscheltier pro Nase, ‘s wird sonst so enge im Luftschutzbunker, Golläsche!“

Fünf Minuten später trotten Johnny und ich schon unten auf der Karli lang Richtung Connewitz, um raus aus der Bomben-Bannmeile zu gelangen, die die Polizei inzwischen eingerichtet hat. Wir suchen ein Lokal, in dem wir den weiteren Abend verbringen können. Doch alle angesagten Läden, die wir ansteuern, sind schon gnadenlos überfüllt. Nach anderthalb Stunden landen wir schließlich in einer sehr improvisiert ostig oder vintage-ostig eingerichteten Kneipe irgendwo ganz tief im Süden, schon kurz vor Dösen, in deren Verkaufs-LineUp nur drei Getränke stehen: Sternburg-Bier, rote Limo & Pfefferminzlikör. Und auch dort sind gerade mal noch zwei Plätze frei – am hintersten großen Tisch in der Ecke, kurz vorm Klo. Und wir klopfen dort auf die Tischplatte und stellen uns vor mit „Kurt“ und „Johnny“. Und die anderen am Tisch nuscheln nun ebenfalls nacheinander: „Christian“, „Svitlana“, „Jochen“, „Olga“, „Heiner“, „Petra“, „Liesbeth“ und „Svante“. Dabei starren sie alle ziemlich betrübt vor sich hin auf ihre mit gelben oder roten oder grünen Flüssigkeiten gefüllten Gläser.

„Verfickte Bombe!“ sage ich, um mal ein Gesprächsthema anzubieten.

„Verfickte Bombe!“ greift Svante meine Vorlage mit leicht schwedischem Ikea-Akzent auf. „Verfickte Bombe!“, wiederholt er nochmal und erzählt, dass er von Beruf Molekulargenetiker sei, und dass er gerade heute Abend dabei gewesen wäre, die Gensequenzen von Neandertaler und Homo Sapiens in seinem Forschungslabor zu Ende zu sequenzieren, um die Herkunft der Menschheit und die Essenz des Mensch-Seins überhaupt besser zu verstehen und dafür den nächsten Nobelpreis für Medizin abzuräumen, aber das könne er sich nun wohl terminlich garantiert abschminken. „- Fuck!“

„Ja, verfickte Bombe“, nicke ich, „auch ich wollte eigentlich heute Abend meinen Text für die nächste Lesebühne schreiben.“

„Verfickte Bombe“ hakt jetzt auch Christian ein, der Rechtsanwalt ist, wie er sagt, und heute extra aus München angereist sei, um hier ein paar Wohnungen aus dem höherpreisigen Immobilienmarktsegment zu besichtigen, die er sich als zusätzliche Altersvorsorge in sein Portfolio stellen wollte, aber jetzt wären durch die bescheuerte Bombe einfach mal drei seiner Besichtigungstermine geplatzt. – „Fuck!“

„Ja, Scheiß-Bombe“, mischt sich jetzt auch Jochen ein. „Scheiß-Ami-Bombe übrigens. Apropos Amis, wenn Ihr mich fragt, die Amis und die CIA ham‘ eigentlich immer und überall ihre Finger drin, wenn es um Bomben und um Krieg geht. Und ich sage Euch: Wegen deren Scheiß-Krieg in der Ukraine sollen wir uns diesen Winter hier im Osten den Arsch abfrieren! – Nee, danke! –  Die Amis sollen mal lieber Frieden machen mit Putin, statt den Ukrainern  immer neue Waffen an die Front zu liefern.“ Und dass er weiß, wovon er redet, weil er zu Ostzeiten als Installateur an der Drushba-Erdöl-Trasse in der Sowjetunion mitgebaut hat, fügt Jochen auch noch hinzu. Und als er dann nach der Wende hier nach Leipzig zurückgekommen sei Ende 1990, sagt er, und mitgekriegt hat, dass die Scheiß-Westdeutschen hier schon alles übernommen hatten, da hätte er es aus Trotz erstmal kurz ein paar Jahre als Reichsbürger versucht. Das wäre ihm aber irgendwann doch zu krass gewesen. Inzwischen glaube er nur noch an Bitcoin und an Daniele Ganser und manchmal auch an Sarah Wagenknecht.

Und Svetlana sagt mit leicht ukrainischem Akzent, dass sie Deutsch- und Russischlehrerin aus Kiew sei und im März vor dem Krieg nach Leipzig geflohen wäre. Und: „Verdammte Bombe“ ergänzt sie dann wütend. „Ja – verdammte Bombe, Leute!“, wiederholt sie. „Ob Ihr es mir glaubt oder nicht, aber auch ich hatte heute noch anderes vor, Leute, als mir hier irgendwelche Jammer-Vorträge über nicht-zu-Ende-sequenzierte Neandertaler, nicht geschriebene Lesebühnentexte, geplatzte Immobilienspekulationen oder durchgeknallte Laudatios auf Bitcoin oder Daniele Ganser anzuhören! Wenn ich Euch alle mal ganz kurz daran erinnern darf, sitzen wir alle hier zumindest nicht in einem verdammten Luftschutzkeller in Kiew, und müssen zum Glück auch nicht jeden Moment damit rechnen, dass über uns so eine verfickte russische Rakete einschlägt. Stattdessen trinken wir hier in dieser verdammten deutschen Kneipen-Komfort-Zone Sternburg-Bier, Limo und Pfeffi, während ein paar hundert Kilometer weiter im Osten gerade Putins verdammter Krieg tobt!“

Betretenes Schweigen am Tisch.

 – „Ja, Krieg ist immer Scheiße“ sagt Petra schließlich, und sie hätte damals in den 80er Jahren während des Kalten Krieges in der DDR so einen Aufnäher „Schwerter zu Flugscharen“ auf ihrer Jacke getragen und sei dafür als Pazifistin von der Oberschule geflogen. Und Petras Freund Heiner fügt hinzu, sie hätten ihn damals zu den Mot-Schützen in die Nationale Volksarmee eingezogen, und es wäre die schlimmste Zeit seines Lebens gewesen, und seit damals hätte er definitiv die Schnauze voll von jeder Art Armee! Und er hätte deshalb kurz nach der Wende gleich als erstes Mal seinen verdammten Zonen-Wehrpass verbrannt und seine Hundemarke in den Müll geschmissen. – Und er sei von da an 30 Jahre lang zu jeder Friedensdemo hingerannt, die es in der Stadt gab.  Und dass er das mit dem verfickten Ukraine-Krieg jetzt überhaupt nicht mehr in seinem Kopf klarkriege.  Aber er hätte es schon damals gefühlt, als die Amerikaner ohne UN-Mandat Belgrad bombardierten in den 90ern und mit einem Sack voller Lügen in den Irak einmarschiert sind 2003, dass das irgendwann alles irgendwie zurückschlagen wird, wenn man das Völkerrecht und die Wahrheit einfach mal so nebenbei aushebelt – und das mit den Menschenrechten in Guantanamo sowieso.

„So ist es!“ meldet sich jetzt auch mein Sohn Johnny zu Wort: „Und wenn mutige Leute wie Julian Assange, die die Kriegsverbrechen der amerikanischen GIs aufdecken, dafür bis an ihr Lebensende verfolgt werden, dann ist es offenbar nicht weit her mit den USA als dem Hort der Freiheit und Demokratie.“

Und auch Jochen nickt eifrig „Ich sag’s ja, eigentlich sind die Amerikaner an allem schuld und nicht Putin!“

Woraufhin jetzt Liesbeth der Kragen platzt. – Sie scheint die Tochter von Petra und Heiner zu sein, trägt ein schwarzes Connewitzer Antifa-T-Shirt und wirkt kaum älter als mein Sohn Johnny. Und sie schreit jetzt quer über den Tisch: „Was ist das denn jetzt für eine verfickte relativistische Kackscheiße: Es ist jetzt jedenfalls definitiv nicht Biden, sondern es ist dieser homophobe russische KGB-Diktator Putin, der hier gerade einen verbrecherischen Angriffskrieg führt und der alles hasst und liquidieren will, was irgendwie anders ist als er selbst. Und der vor allem alle hasst, die frei und selbstbestimmt leben. Und die Punkband Pussy Riots hat das alles schon vor zehn Jahren kommen sehen, worauf es mit Putin hinausläuft und sie sind dafür ins Lager gesteckt worden, wie unter Stalin. Der Westen muss da endlich mehr schwere Waffen hinschicken, damit die Ukrainer Putins Überfall endlich ein Ende machen.“

Bei Liesbeths letzten Worten bricht plötzlich Olga, die bisher als einzige am Tisch noch gar nichts gesagt hat, in Tränen aus. Und unter lautem Schluchzen erzählt sie, dass sie und ihr Mann vor 25 Jahren als russland-deutsche Spätaussiedler aus Nowosibirsk nach Deutschland gekommen seien und dass sie hier zwei Söhne großgezogen hätten, und dass ihr Mann dann vor ein paar Jahren bei einem Unfall auf dem Bau ums Leben gekommen sei – und dass ihre beiden Söhne aus irgendeinem ihr unverständlichen Grund schon ihre ganze Schulzeit lang immer irgendwie pro-Putin gewesen seien. Und seit Kriegsbeginn hätten die beiden sich politisch so weit radikalisiert, dass sie vor drei Monaten über die Türkei nach Russland ausgereist seien, um sich von dort aus den russischen Separatisten oder gleich der russischen Armee anzuschließen. Sie wolltenda kämpfen, wo es am härtesten sei, um die Freiheit des Donbass zu verteidigen, hatten sie ihrer Mutter zum Abschied in einer WhatsApp-Sprachnachricht verkündet. – „Und jetzt habe ich schon seit fünf Wochen kein Lebenszeichen mehr von ihnen!“ ruft Olga laut schluchzend über den Tisch.

„Hört das denn nie auf mit dem Krieg?“ Petra hat tröstend den Arm um Olga gelegt. Und dann schaut sie Svante an und wiederholt die Frage eindringlich „Hört das denn nie auf mit dem Krieg? Hat es etwas mit dem verdammten Neandertaler-Gen in uns drin zu tun, Herr Nobelpreiskandidat? Kann man das nicht irgendwie rausschneiden aus unserer DNA – dieses verfickte Aggressions-Gen?“

„Du meinst: dieses verfickte Putin-Gen?“ verbessert Lisbeth ihre Mutter Petra.

„Du meinst: dieses verbrecherische Idioten-gibt-es-überall-Gen?“ verbessert Johnny wiederum Liesbeth.

Svante, der schwedische Gen-Forscher, zuckt hilflos mit den Achseln und verdreht die Augen.

Und Christian sinniert plötzlich laut vor sich hin: „Vielleicht wird Putin wird ja noch die Atombombe zünden und hier herschicken, wenn er sich in die Enge getrieben fühlt, und dann kann ich das mit meiner Altersvorsorge vergessen.“

Ich schüttele den Kopf. „Ich glaube, wir kommen hier nicht weiter, Leute“, murmele ich, „es gibt keine Lösung!“

Aber wie immer in solch aussichtslos erscheinenden Momenten meines Lebens spaziert jetzt wie aus heiterem Himmel Natascha-Lou, Johnnys Mutter, durch die Tür in die Kneipe und steuert auf unseren Tisch zu:

Und sie sagt laut zu mir und in die ganze Runde: „Kurt, du irrst Dich, das alles hier ist nicht aussichtslos: Es gibt immer eine Lösung!“ Und sie beginnt ungefragt, einen psycho-spirituellen Stehgreifvortrag darüber zu halten, dass das Leben natürlich ein vorherbestimmtes Schicksal sei und dass jede Situation, in die wir als Menschen geraten, immer eine tiefere Bedeutung hätte und dass jede Situation die Möglichkeit bieten würde, emotionale Verstrickungen zu erkennen. Und dass jeder Moment im Leben eine geistige Lernaufgabe bieten würde, und dass jede ausweglose Situation sich verändern würde, wenn man fähig wäre, die eigene Perspektive auf diese Situation einfach mal zu verschieben, und sei es nur probeweise. „Und ich würde jetzt mal sagen“, setzt Natascha-Lou ihre Ausführungen fort, während ihre Augen schon leicht zu phosphoreszieren beginnen, „dass auch diese amerikanische Flieger-Bombe aus dem 2. Weltkrieg da draußen auf dem Leuschnerplatz, die uns hier und heute in dieser Kneipe alle scheinbar zufällig zusammengeführt hat, eine tiefere Bedeutung besitzt. – Und die Bedeutung dieser Flieger-Bombe ist“, fährt Natascha-Lou jetzt schon beinahe wie im Trance fort, „dass es uns allen hier und jetzt mit einer gemeinsamen mentalen Kraftanstrengung gelingen kann, den Ukraine-Krieg ein für alle Mal zu stoppen!

Alle am Tisch starren Natascha-Lou entgeistert an.

Johnny verdreht die Augen. „Mutter!“

Aber Natascha-Lou lässt sich davon nicht beirren, schließt für einen Moment die Augen, so als würde sie tatsächlich seelischen Karma-Kontakt mit der verfickten Fliegerbombe am Leuschnerplatz aufnehmen, um eine Schwingungs-Botschaft von ihr zu empfangen. Dann räuspert sie sich kurz und scheint wieder voll fokussiert im Hier und Jetzt angekommen: „So, Leute, als Tiefenpsychologin glaube ich daran, dass jeder Mensch auf einer persönlichen Ebene letztlich immer irgendwo und irgendwie emotional erreichbar ist. Und meine Intuition in Bezug auf Putin sagt mir, dass man irgendwie eine persönliche Connection zu dessen kaputter Seele herstellen muss, um den Krieg zu stoppen. Was ich meine: vielleicht kennt der eine oder die andere von Euch hier an diesem Tisch jemanden, der oder die wiederum jemanden kennt, der oder die  jemanden kennt, der oder die jemanden kennt, der oder die jemanden kennt, der oder die so viel direkten persönlichen Zugang zu Putin und Einfluss auf ihn hat, dass er oder sie Putin veranlassen könnte, diesen wahnsinnigen Krieg sofort zu beenden!“

„Du meinst: so jemand cooles wie Gerhard Schröder?“ fragt Johnny ironisch dazwischen und grinst seine Mutter herausfordernd an.

„Wir brauchen hier keine destruktiven Einwürfe, Johnny, kreatives Brainstorming ist gefragt“, antwortet Natascha-Lou sanft aber bestimmt. Und sie bestellt für jeden von uns einen doppelten doppelten Brainstorming-Pfefferminzlikör. Und der Kellner bringt ein ganzes Tablett mit den grün gefüllten Sto-Gramm-Gläsern, als hätte er nur auf das Signal von Natascha-Lou gewartet.

Und Olga, deren Söhne im Donbass verschollen sind, schüttet ihr Glas als erste auf Ex hinter. „Ich glaube“ – sagt sie, und sie schluchzt noch immer, „ich glaube meine Cousine Ljudmilla Petrowna hat eine Patentante. Deren Großnichte mütterlicherseits, ist mit dem Kusscousin von dem Friseur von der Tochter des Hausarztes von Patriach Kyrills Lieblings-Großtante zusammen in den Kindergarten gegangen. Wenn die mal ein paar Takte mit ihrem Großneffen reden würde, könnte der sich vielleicht doch eines Besseren besinnen und dann seinerseits mal Putin so richtig in die Beichte nehmen.“ Und kaum hat Olga ihren Gedanken ausgesprochen, zückt sie auch schon ihr altes I-Phon und ruft ihre Cousine Ljudmilla Petrowna in Kaliningrad an und schildert ihr die Lage, die wiederum augenblicklich ihre Großtante Alexandra Timofejemna in Tscheljabinsk anruft, die sich wiederum sofort mit ihrer Großnichte Irina Alexejewna in Wladiwostok connected, die wiederum umgehend Sergej Panfilowitsch in Archangelsk an-called, der wiederum mit Iwan Maximowitsch in Moskau spricht, der seinerseits Anna Nikolajewna in Ostankino anruft, die wiederum … – usw. usw. – bis sich schließlich die hundertjährige Lieblingspatentante Nadeshda Sergejewna aus Perm tatsächlich ihren Patensohn Patriarch Kyrill zur Brust nimmt, der wiederum daraufhin wirklich Putin anruft. Und Putin sagt: „Na, wenn das so ist – warte mal, ich muss mir nochmal die Tarotkarten legen und in mein Horoskop schauen: Uranus und Pluto im siebten Hausder Gehängte! – Alles klar, Kyrill. Hiermit erkläre ich den Krieg – ähem die Militäroperation – für beendet und trete zurück, und ich ernenne Michail Gorbatschow zu meinem Nachfolger, ach nee, der ist ja tot, na dann eben doch: Alexej Nawalny. Ich hatte ja sowieso schon seit längerem vor, zusammen mit Elon Musk zum Mars auszuwandern.“ Und Putin legt auf. Und Patriarch Kyrill ruft seine hundertjährige Patentante in Perm an, um ihr die Neuigkeit mitzuteilen, und die wiederum called unverzüglich ihren Hausarzt Fjodor Alexejitsch an … – usw. usw. – … bis Ljudmilla Petrowna aus Kaliningrad schließlich wieder Olga anruft, die noch immer mit Tränen in den Augen bei uns am Tisch sitzt, während draußen schon der Morgen dämmert. Olga hält das Telefon an ihr Ohr – und es danach noch minutenlang fassungslos in der Hand – und dann verkündet sie in die Runde: „Leute, der Krieg ist vorbei! Der Scheiß-Krieg ist echt vorbei!“

Und in diesem Augenblick ertönt draußen von Ferne das Signalhorn des Kampfmittelbeseitigungsdienstes und gibt Entwarnung und ein Polizeiwagen mit Blaulicht driftet draußen vorbei durch den Morgennebel: „Liebe Bürger und Bürgerinnen: Die Bombe ist entschärft. Sie können alle zurück in Ihre Wohnungen!“

Und ich glaube jetzt vielleicht wirklich daran, dass alles im Leben ein Schicksal ist und eine tiefere Bedeutung hat. – „Bomber Harris sei Dank für diese entschärfte Fliegerbombe!“ denke ich und dass es doch ein etwas unwahrscheinlicher Schluss für diese Geschichte hier ist irgendwie, sage ich zu Natascha-Lou. Und die antwortet: „So bin ich halt, Kurt, das weißt Du doch!“

Kurt Mondaugen

Fotocredits: Roland Quester

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